C2H5OH: Die lange Geschichte des Alkohols

Seit unzähligen Jahrhunderten scheiden sich die Geister über den Stoff mit dem friedlichen Namen C2H5OH, und bis heute erfreut es sich in vielen Kulturen und besonders in den Gesellschaften westlicher Staaten grosser Beliebtheit und Akzeptanz. Und doch ist es ein gefährliches Gift, das schon vielen zum Verhängnis wurde. Die Rede ist von Alkohol. Kaum ein anderes Produkt der Natur hat soviel Licht und Schatten in Bezug auf seine Wirkung. Fluch oder Geschenk? Zu verallgemeinern ist erfahrungsgemäß immer der falsche Weg, und die Wahrheit liegt sicherlich wie so oft in der Mitte und bedarf näherer Beleuchtung.

Wenn man von Alkohol oder Alkoholkonsum spricht, sind meistens die Getränke gemeint, die den Stoff „Äthylalkohol“ beinhalten. Dieser entsteht durch den natürlichen Gärprozess von Zucker, und als Grundlage dafür dienen praktisch alle kohlenhydratreichen Obst- und Gemüsesorten, als da wären die klassischen Weizen und Gerste (Bier), Weintrauben (Wein) sowie Früchte, Honig, Zuckerrohr, Mais, Reis (v.a. in Asien) und Kartoffeln (verschiedene Spirituosen und Schnäpse). Dieser Äthylalkohol, oder kurz auch Äthanol genannt, ist eine klare, farblose Flüssigkeit und wirkt anregend und berauschend auf unser Nervensystem und wird von der grossen Mehrzahl der Konsumenten als angenehm und spannungslösend empfunden. Entscheidend für den Grad der Wirkung sowie den Geschmack ist der prozentuale Anteil von Äthanol im Getränk.

Die Geschichte der Entdeckung des „Alkohols“ und seiner Wirkung auf den Menschen ist kaum zu beziffern. Es ist möglich, dass sich bereits die Ur-Menschen an gegorenen Früchten, die von den Bäumen fielen berauschten, so wie man es heutzutage im Tierreich beobachten kann. Die Geschichte einzelner Arten von alkoholischen Getränken hingegen ist kulturgeschichtlich durchaus zurückzuverfolgen. Das warscheinlich erste und eines der am weitest verbreiteten und beliebtesten alkoholischen Getränke ist das Bier. Bis ins alte Ägypten reicht die Geschichte der Braukunst, eine Kunst, die sich bis heute in unzählige Formen und Varianten des „Ur-Bieres“ weiterentwickelt hat. Aufgrund seines nicht allzu hohen Äthanolgehalts, seines Geschmacks und seiner Nahrhaftigkeit galt das Bier jahrhundertelang weniger als Genuss-, sondern als Lebensmittel. Unter den Pharaonen wurden Arbeiter, wie alte Quellen beweisen, mit „Brot- und Biereinheiten“ entlohnt. Auch im Mittelalter galt Bier als „flüssiges Brot“ und Grundnahrungsmittel.

Das überrascht nicht, wenn man sich klarmacht, das Bier ein überaus reichhaltiges Nahrungsmittel ist, dessen Herstellung darüber hinaus kaum Kosten beanspruchte. Auch die Frucht des Weinstocks machten sich laut Forschungen als erstes die Völker an Euphrat und Tigris zu Nutze, um wein-ähnliche Getränke herzustellen. Schon 3000 v.Chr. sollen ägyptische Könige Besitzer von Weingütern gewesen sein. Im alten Griechenland wurden die berauschenden Getränke schnell als Genussdroge entdeckt und man huldigte dem Gott des Weines und des Rausches, Dionysos, in wilden Trinkgelagen. Auch im alten Rom nutze man die alkoholischen Getränke für Orgien und Feste, ihr Pendant zum griechischen Rauschgott war Bacchus, der stets gutgelaunte Gott des Weines. Auch religiös, aber weit weniger ausschweifend begannen die Christen den Wein zu sakralen Zwecken zu nutzen. Noch heute trinkt man in vielen christlichen Kirchen Wein zum Abendmal. Von dort aus fand der Alkohol den Weg in die Gesellschaft Europas. Während das Judentum den Genuss von Alkohol durchaus nicht verbietet, bezeichnen die Glaubenshüter des Islam den Alkohol bis heute als „Werk des Teufels“ und verbietet den Konsum, auch wenn im Koran unterschiedlich zu interpretierende Aussagen zu diesem Thema zu finden sind. Der Grund für das strenge Verbot liegt laut Meinung vieler Theologen eher in der Abgrenzung des Islam von den anderen beiden, ihnen verhassten Weltreligionen.

Die Einkehr von Alkohol in eine Gesellschaft hat früher wie heute und durch alle Zeiten hindurch positive wie negative Seiten. Der Genuss von Bier, Wein und vielen anderen Getränken wurde Kulturgut, die Kunst des Brauens von Bier und dessen maßvoller Konsum, die Züchtung von Rebsorten oder die Erfindung des Destillationsverfahrens, höchstwarscheinlich entwickelt vom berühmten Arzt Salemus (10. Jahrhundert), waren und sind wertvolle Erfindungen. Das ursprünglich als Medizin entwickelte „aqua ardens“ (lat. „gebranntes Wasser“) führte jedoch zu einer Vielzahl von hochprozentigen Getränken wie Whiskey, Gin und Vodka, dessen damals noch schlechte Qualität und gleichzeitig geringer Preis für eine regelrechte Seuche unter den ärmeren Menschen führte. Das Alkoholismus zog seit dem Mittelalter seine Kreise und nahm besonders seit dem 17. Jahrhundert in Europa und in den vereinigten Staaten ungeahnte Ausmaße an. Populäres Beispiel des Kampfes gegen den gesellschaftlichen Alkoholismus war die Zeit der Prohibition in den USA.

Berauschende Getränke nutzte man jedoch auch zu rituellen und vor allem auch medizinischen Zwecken. Schon aus dem Jahre 1500 v.Chr. konnte man rund 40 Rezepturen von Arzneien finden, die mit Hilfe von Alkohol hergestellt wurden, doch auch hier gilt: Licht und Schatten. Ob zur Desinfektion, Narkose oder als durchblutungsförderndes Mittel gegen Erkältung oder Schockzustände in Form des berühmten „Franzbranntweins“, den maßvollen Konsumenten von Rotwein wird nach neuesten Forschungen und Studien gar eine erhöhte Lebensdauer prognostiziert, da er sich positiv auf die Herzkrankgefäße auswirkt. Auch der beliebte Digestif nach einem reichhaltigen Essen fördert die Verdauung und ist medizinisch nicht nur zu vertreten sondern sogar zu empfehlen. Dennoch ist und bleibt Äthanol im Grunde genommen ein Giftstoff, und hat somit bei unkontrolliertem Genuss schädliche und langfristig tödliche Folgen. Schädigung des Magens, der Leber und des Nervensystems sind da nur die ersten Folgen. Der dauerhaft übermäßige Genuss von Alkohol macht körperlich abhängig.
Das Abrutschen in die Sucht und die daraus resultierende soziale Isolation geben den Betroffenen dann den Rest, und ohne fremde Hilfe können sie sich nicht aus diesem Teufelskreis befreien.

Alkoholische Getränke sind in Deutschland quasi uneingeschränkt zu erhalten, lediglich das Jugendschutzgesetz schränkt die Ausgabe an Minderjährige ein. Brauereien, Weingüter und Destillierungsbetriebe haben eine lange und fest in unsere Kultur verankerte Tradition, und auch der Genuss von Bier, Wein und anderen Getränken ist nicht grundsätzlich ein Fehler. Nur dann, wenn man die Kontrolle über den Konsum verliert. Den Alkohol zu verteufeln ist im Kern falsch. Der richtige Umgang mit ihm macht es möglich, nur die guten Seiten des Äthanols zu nutzen. Wer das weis und sich beiden Seiten von Alkohol bewusst ist, kann ruhigen Gewissens das jahrtausendalte Privileg geniessen, abends ein kühles Glas Bier zu trinken. In diesem Sinne, zum Wohl!

Ein Artikel von Benjamin Weissinger in Zusammenarbeit mit Sebastian „Der Ober“ Kellner. Danke für Insiderwissen und weiterhin guten Durst!

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