Gibt es „Einigkeit und Recht und Freiheit“ bald auf türkisch?

Als August Heinrich Hoffmann von Fallersleben im 19. Jahrhundert auf Helgoland weilend seine Hommage an sein Heimatland schrieb, dachte er wohl kaum daran, die deutsche Hymne auch in einer türkischen Version zu verfassen. Dies lag wohl zum einen daran, dass er der orientalischen Sprache nicht mächtig war, zum anderen war er aber auch nicht weitsichtig genug, um zu erkennen, dass gute 150 Jahre später der mehrfach transformierte deutsche Staat arge Probleme mit der Integration derer bekommen würde, die er in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts so dringend als Arbeitskräfte benötigt.

Ströbele sieht eine türkische deutsche Nationalhymne als Symbol für Integration und Vielsprachigkeit
Was tun?, fragte sich neben Wladímir Iljítsch Uljánow, besser bekannt unter seinem Pseudonym Lenin – der diese Frage allerdings in einem anderen Kontext diskutierte – auch der Grünen-Abgeordnete und Fraktions-Vize Hans-Christian Ströbele. Letztlich kam er zum Schluss, dass man die Versäumnisse eines Hoffmann von Fallersleben beseitigen müsse und die scheinbar abtrünnige Parallelgesellschaft in das Geflecht des deutschen Bürgertums integrieren könne, indem man das Gemeinschaftsstiftende Lied auch in die ihrige Sprache übersetzt. Nicht nur ein Zeichen der Gemeinsamkeit sei ein solcher Akt, sondern und gerade auch ein Symbol für die Vielsprachigkeit eines Landes, welches sich gerade im Jahr der Fußballweltmeisterschaft als außerordentlich multikulturell unter dem Motto: „Die Welt zu Gast bei Freunden“ präsentieren will.

Ströbeles Vorschlag stößt auf Widerstand
Sofort regte sich jedoch im parlamentarischen Betrieb akuter Widerstand gegen den Vorschlag Ströbeles, den dieser wohl aus der derzeitigen Debatte in den USA um eine spanische Version des „Star-spangeld Banner“, entlehnt hat. Zwar sieht die FDP in der zweisprachigen Nationalhymne eine Chance um auch den schlecht Deutsch sprechenden türkischen Mitbürgern die demokratischen Werte zu vermitteln, im Allgemeinen war jedoch eher Ablehnung, als begeisterter Jubel zu verspüren: Neben der CDU/CSU wies so auch die islampolitische Sprecherin der SPD, Lale Akgün, ein „türkisches Einigkeit und Recht und Freiheit“ prinzipiell als „Schnapsidee“ zurück. „Kein türkischer Jugendlicher wird einen Ausbildungsplatz bekommen, nur weil er die Nationalhymne auf Türkisch singen darf“ – und damit hat Akgün durchaus nicht Unrecht: Ab- und Ausgrenzung beginnt schließlich eher mit sozialer Ungleichheit, als mit sprachlicher Homogenität.

Ist eine türkische Version der deutschen Nationalhymne der Integration nützlich?

Darüber hinaus sollte man tatsächlich abwägen, inwieweit eine türkische Version der deutschen Hymne tatsächlich zur so genannten Integration beitragen könnte. Darf dieser Idee nicht mit Recht entgegen werfen, dass Deutschland nicht wirklich als der Prototyp eines vielsprachigen Landes angesehen werden kann, wie es beispielsweise die Schweiz ist, die sich weniger über die Sprachgemeinsamkeit als Nation definiert, denn über ihre Eidgenossenschaft? Einheitliche Werte lassen sich in Deutschland sicherlich auch finden – man betrachte sich nur das Grundgesetz, welches ja gewissermaßen als der gemeinsame Nenner der Nation gelten soll. Sprache scheint in jedoch nichtsdestotrotz ein gewichtiger Faktor für das Zusammengehörigkeitsgefühl zu sein: Denn ohne eine gleiche Sprache kann man letztendlich nur bedingt miteinander kommunizieren, was ein Zusammenleben immens erschwert. Kommunikation ist dementsprechend auch das A und O um Außenstehende in eine Gruppe zu integrieren, woraus sich also schlussfolgern lässt, dass es doch förderlicher wäre den türkischen Migranten zuerst einmal die Landessprache und dann die so genannten Werte oder besser noch beider parallel näher zu bringen.

Eine Zweiteilung der Nationalhymne in einem de facto nicht als zweisprachig zu bezeichnendem Land würde also eine Parallelisierung der Gesellschaft, vor der man grundsätzlich seit Jahren Angst hat, eher verschärfen, als ein Zusammenwachsen zu einer homogenen Einheit, welche letzten Endes allerdings auch nicht gewollt sein kann, zu befördern. Man sieht also, wie schwierig es ist die Balance zwischen Gemeinsamkeitsstiftender Gleichheit und dem menschenrechtlich unabdingbaren Pluralismus zu halten. Pluralismus ist ohne Frage wichtig – nicht nur menschenrechtlich, sondern auch bezüglich des staatlichen Wachstums. Jedoch sollten sich aus ebendiesem Pluralismus keine Einzelstränge entwickeln, welche selbst keine Verknüpfung zueinander unterhalten. In diesem Sinne wäre die gleiche Sprache für die Teilnehmer an einem Staat nicht grundsätzliche Vorbedingung für dessen Existenz, – die immerhin nicht nur viel- sondern vor allen Dingen viersprachige Schweiz bildet hierfür das ideale Gegenbeispiel – schädlich kann sie jedoch keinesfalls sein.

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