Gangs Of New York: Von Metzgern und Milizen

Wie in kaum einer anderen Stadt prallten zu Zeiten der Gründung der amerikanischen Nation so viele verschiedene Menschen, soviele verschiedene Ansichten, und vor allem Elend und Gewalt aufeinander wie in New York, dem Hafen für Hoffnung, in dem viele ihr Glück zu finden hofften, doch oft nur Unrecht und Tod fanden. Im brodelnden „melting pot of nations“, in dem sowohl Schwarze und Weisse, als auch die verschiedenen ethischen und religiösen Gruppen und ihre „Gangs“ aufeinandertrafen, schafften Politik, Judikative und Exekutive keine Ordnung, im Gegenteil, sie waren käuflich, korrupt und brutal. Schwere Zeiten, um zu überleben. Und schwer, umgeben von Chaos und Unrecht, einen ehrbaren und aufrechten Weg zu gehen.

Dies schafft in „Gangs Of New York“ niemand, die Hauptdarsteller und alle Randfiguren sind Anti-Helden, durchtrieben von Macht- und Geldgier, von Mißtrauen und vom Hass aufeinander. Da ist zum einen die Geschichte von Vallan (Leonardo di Caprio), einem irischen Jungen, dessen Vater „Priest“, der Anführer einer irischen Gang, den „Dead Rabbits“, auf den Straßen bei einem der wahnwitzigen und blutigen Straßenkämpfe umkommt. Er ist eines der vielen Kinder des Zorns, für die es so schwer ist, aus der Spirale der Gewalt auszubrechen. Der Hass und die Unterdrückung sind zu gross, und so sinnt er auf Rache.

Sein Gegenspieler, der heimliche Herrscher New Yorks, der durch seine kalte Brutalität als Gangsterboss und Anführer der „Natives“ die Menschen auf der Straße fest im Griff hat. Gespielt wird „der Butcher“ (wenn er nicht auf Menschen einhackt, schlachtet er Schweine) von Daniel Day-Lewis, und das so überzeugend und furchterregend, dass er für den Oscar des besten Hauptdarstellers nominiert wurde, und das völlig zurecht. Und die Geschichte der verführerischen, rothaarigen Jenny, die durch ihre Reize die Köpfe der Reichen verdreht, um ihnen dann die Taschen und Häuser leerzuräumen. Alle diese Figuren bewegen sich auf einem schmalen Grat, den Gangs Of New York, und verlieren in den Wirren der Straßenkämpfe und des Bürgerkriegs schliesslich alles. Dies sollte jedenfalls die Moral des Films sein.

Star-Regisseur Martin Scorsese verfehlt dies leider. Zwar schneidet er diesen Mißstand in zahlreichen, für ihn typischen bildgewaltigen Methapern und Andeutungen, und in der Darstellung der korrupten Politiker New Yorks durchaus an, verliert sich aber zu oft in der pathetischen Schilderung des Zweikampfes zwischen Vallan und dem „Butcher“ und dem blutigen Kampfkult. Denn keiner der Figuren des Films steht auf der „guten“ Seite. Auch der Mißbrauch der Religion für die niederen Absichten und Kampfgelüste der Menschen wird zwar angedeutet, aber nicht genügend herausgestellt.

Dennoch weis der Film durch die starke Besetzung, hervorragende Kostüme und einen mitreissenden Soundtrack zu begeistern. Ein durchaus sehenswerter Streifen also, an dessen Ende man jedoch ein bisschen enttäuscht ist, dass Scorsese aus dem interessanten und vielschichten Stoff nicht mehr gemacht hat. Fazit dennoch: Anschauen!

„Gangs Of New York“ läuft seit dem 20.02. in Deutschland. Vielen Dank an den Cinestar in Dortmund.

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